Dem deutschen Geistlichen, Astronom und Mathematiker Johann Jakob Zimmermann träumt 1692, dass die Welt im Herbst des darauffolgenden Jahres untergehen wird. Um sich Gewissheit zu verschaffen über dieses Datum deutet er noch einmal die Sterne, interpretiert Bibelstellen. Bald ist er überzeugt: Die Wiederkunft Christi steht tatsächlich unmittelbar bevor. Dem Buch der Offenbarung entnimmt er den Hinweis, dass künftig eine Frau die einzig wahre Kirche symbolisieren wird: Sie allein würde sich aus der Asche der Zerstörung erheben, ihr allein würden Adlerschwingen verliehen, um damit in die Wildnis zu fliehen. Diese Wildnis, davon ist Zimmermann überzeugt, ist Amerika. Dort will er (dem weiblichen Antlitz seiner neuen Kirche zum Trotz) eine klösterliche Gemeinschaft gründen, in der zölibatär lebende Mönche geläutert werden sollen, um am Tag des jüngsten Gerichts ihrem Gott von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten zu können. Rasch versammelt er eine Schar von Anhängern um sich, und nach einiger Zeit gelingt es ihnen, auf einem Schiff Plätze für die Überfahrt in die neue Welt zu ergattern. Am Abend vor der Abreise stirbt Zimmermann an einem septischen Schock.
Sein Werk wird unter Führung des jungen Johannes Kelpius fortgesetzt, der nicht nur Zimmermanns Glauben an die Astrologie teilt, sondern auch über Kenntnisse der Alchimie verfügt, des Rosenkreuzertums und der animistischen Rituale altgermanischer Kulte. Die Glaubensbrüder erreichen Amerika am 19. Juni 1694; wenige Monate später gründen sie in einem entlegenen Wald in Pennsylvania die Religionsgemeinschaft The Women in the Wilderness. Sie errichten ein Gotteshaus aus Holz, in dem sie gemeinsam wohnen und beten. Die niedrigen, engen Türen und Flure des schmucklosen Gebäudes zwingen sie, sich fortwährend zu bücken: Eine Erinnerung, so Kelpius, an die Bibelworte, wonach der Weg der ins Leben führe schmal sei. Stundenlang sitzen die Mönche auf harten Bänken, um seinen ausufernden Predigten zu lauschen. Die Mahlzeiten sind karg und werden schweigend eingenommen. Vom Dach aus sucht man, rund um die Uhr einander abwechselnd, mit einem Fernrohr den Himmel ab nach Hinweisen auf die kommende Apokalypse.
Während die Männer auf das Ende der Welt warten, finden sie Zeit, ihr Evangelium zu verbreiten: Überzeugt, bei den Ureinwohnern Amerikas handle es sich um die in der Bibel erwähnten verlorenen Stämme Israels, lernen sie die Sprache der Delawaren, beginnen ein umfangreiches Wörterverzeichnis zu erstellen. Bald bauen sie eine Druckerpresse, um das Heilige Wort besser verbreiten zu können, befassen sich mit Botanik, mit Astronomie und Poesie. Als begeisterte Musiker bringen sie das erste Notenheft Amerikas heraus. Allein, die Apokalypse bleibt aus: Das neue Jerusalem, das Reich Gottes auf Erden, lässt auf sich warten. Immer wieder meinen die Männer, am Himmel Anzeichen für das Nahen des Tausendjährigen Reichs Christi zu erkennen; ein jedes Mal werden sie bitter enttäuscht.
Die Bruderschaft hat zunehmend mit den Widrigkeiten der Wildnis zu kämpfen: Auf dem sumpfigen, sauren Boden will das Korn nicht wachsen. Die Mückenschwärme sind so dicht, dass sie die Sicht schwärzen. Eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die wahre Gestalt Gottes, die sie mit den Delawaren austragen, kostet zwei Mitglieder der Gemeinschaft den Kopf. Zweifel beginnen die Männer zu plagen wie Mückenstiche, aber Johannes Kelpius weigert sich, Zimmermanns Berechnungen in Frage zu stellen. Zur inneren Einkehr zieht er sich in eine Höhle zurück: Wenige Wochen später stirbt er im feuchten Dunkel an der Tuberkulose. Die Gemeinschaft droht zu zerfallen: Einige der verbliebenen Mitglieder schlagen sich durch die Wälder auf der Suche nach größeren Siedlungen. Die übrigen verbarrikadieren sich in ihrer hölzernen Kirche und stammeln Gebete. Sie sterben, noch bevor der nächste Winter einbricht.
Über dreihundert Jahre nach dem Verschwinden der Kirche The Women in the Wilderness ist die Apokalypse noch immer ausgeblieben: Die Höhle, in der Kelpius starb, lässt sich heute besichtigen, sie ist inmitten eines Nationalparks gelegen. In ihrer Nähe drehte der Regisseur M. Night Shyamalan 2010 den Film „Die Legende von Aang“, in dem die Menschen die Ankunft eines Erlösers erhoffen, der die Widersprüche ihrer Welt auflöst und ein neues Zeitalter des Friedens schafft. Noch einmal zehn Jahre später veröffentlichte der Schauspieler, Popsänger und Entertainer Josh Groban – der achtmalige Urenkel des Geistlichen, Astronoms und Mathematikers Johann Jakob Zimmermann – eine Deluxe-Version seines Albums „Harmony“. Darauf zu hören ist auch ein Duett mit der deutschen Schlagersängerin Helene Fischer, und einige Zeilen daraus klingen wie das tröstende Geflüster Gottes, das die Mönche in ihrer Waldeinsamkeit vernommen haben mögen:
Take me in into your darkest hour and I’ll never desert you.