Die Zauberhöhle Teil 2 . Unsere Erden

Die Zauberhöhle – Zweiter Teil

Kommt mit, ich will euch etwas zeigen.

 „So, hier geht es zur lustigen Grotte“, rief das Känguru Hollahopp. „Da wollt ihr doch sicher gleich hin?“ Petzi und seine Freunde nickten aufgeregt. Sie folgten ihm einen düsteren Gang hinunter, in dem es feucht von den Wänden tropfte und ein wenig nach Schweißfüßen roch. „Ein bisschen finster ist es ja“, flüsterte Pingo, als sie immer weiter den neuerlichen Verzweigungen des Ganges folgten. „Keine Angst, Pingo“, versuchte Petzi ihn zu beruhigen. „So ist es sicher nur am Anfang.“

Kurz darauf erreichten sie eine hell erleuchtete Grotte, deren Wände weich wirkten und die Farbe von alter Butter hatten. Eine runde Öffnung schien noch tiefer in den Berg hineinzuführen. „Treppenstufen gibt es nicht“, juckste Hollahopp. Petzi, Pingo und Pelle lugten neugierig in die Öffnung: Wasser, das offenbar von Nirgendwoher kam, schoss eine Röhre hinunter und verschwand schnell hinter einer Windung. „Keine Angst“, setzte das Känguru hinzu, „ich habe die Bahn mit Seife geschmiert, damit sich niemand die Hosen aufreißt.“ Es packte Petzi an den Schultern und drückte ihn energisch zu Boden. „Setz dich doch endlich, Petzi“, rief es ungeduldig, „ich schiebe!“ Nacheinander verschwanden die Freunde, von Hollahopp angeschubst, in der butterfarbenen Röhre. Weil sie nicht so recht wussten, wie ihnen geschah, lachten sie ein wenig ratlos, als sie immer schneller die spiralförmige Bahn hinabschossen und ihnen schwindlig wurde.

Sie landeten in einem großen Waschzuber, der randvoll gefüllt war mit schaumigem Wasser, kleine Blubberblasen schillerten regenbogenfarben um sie herum. Petzi konnte sich nicht erinnern, dass Hollahopp vor ihm und seinen Freunden die Röhre hinabgerutscht war, trotzdem stand das Känguru dicht bei ihnen, noch ehe Pelle als Letzter in den Zuber geplatscht kam. „So ist es gut“, rief es. „Hollahopp mag sich heute nicht waschen, aber ihr solltet es unbedingt tun!“ Während sie aus dem Zuber kletterten und das Wasser abschüttelten, hatte es sich schon hinter einer altmodischen Drehorgel aufgestellt und kurbelte gleich heftig. „Handtücher haben wir leider nicht“, gluckste das Känguru, „aber wenn ihr ein Tänzchen wagt, seid ihr schnell wieder trocken.“ Die Musik, die aus dem Leierkasten ertönte, war zauberhaft und den Freunden sehr vertraut: Sie klang nach warmer Erdbeermarmelade und Obstsuppe und frischen Törtchen, als wäre heute eine große Geburtstagsfeier. Petzi, Pingo und Pelle hielten sich an den Händen und drehten sich immerzu im Kreis, sie lachten und wurden schläfrig. Die Freunde bemerkten gar nicht, wie ihnen die Augen zufielen.

Als er wieder aufwachte, bemerkte Petzi ein Glänzen über sich und ein Glitzern. Er befand sich in einem riesigen Gewölbe, das über und über dicht bewachsen war mit Bäumen und Sträuchern, überall rankte es und wucherte. Petzi sah schimmerndes Obst von den Ästen hängen, das unwirklich funkelte: Orangen und Pfirsiche, Ananas und Weintrauben und eine Menge bunter Beeren, die er noch nie im Leben gesehen hatte. All das sah sehr appetitlich aus, auch Pingo und Pelle waren völlig hingerissen. „Bitte schön, greift zu, Freunde! Soll ich dir helfen, Petzilein?“ Hollahopp hob Petzi mit seinen riesigen Armen nach oben, damit er die schimmernden Trauben erreichen konnte. „Darf ich die wirklich allein essen?“, fragte Petzi das Känguru. Ungläubig nahm er gleich eine Handvoll Trauben in den Mund, aber als er sie zerkauen wollte, durchfuhr ihn ein böser Schmerz, den er sich gar nicht erklären konnte. Erst allmählich begriff er: Die Weintrauben und alle anderen Früchte waren aus Glas! „Du willst dich wohl über uns lustig machen, Hollahopp!“, klagte Petzi, doch das Känguru kicherte nur aufgeregt, als sei es nicht mehr bei sich. Erschrocken rannte Petzi zu Pingo hinüber, der verträumt eine Weintraube nach der anderen in seinen Schnabel steckte. Er rief ihm zu, dass er damit aufhören solle, aber Pingo schien ihn gar nicht zu bemerken. Bevor Petzi seinen Freund davon abhalten konnte, kam Hollahopp schon herbeigehüpft, packte Pingo, hielt ihn kopfüber an den Füßen und boxte ihm immer wieder kräftig in den Bauch. Petzi hatte erst dagegen protestieren wollen, aber jetzt wusste er gar nicht mehr, warum: „Schüttel ihn kräftig, Hollahopp!“, rief er stattdessen, „es klirrt und klackert noch immer in seinem Bauch!“ Auch Pelle hatte sich inzwischen zu ihnen gesellt und feuerte das Känguru an. Als Pingo die letzten Glastrauben aus dem Schnabel kullerten, waren seine Augen verdreht. Hollahopp ließ seine Arme sinken und deutete auf einen Gang, der aus dem Gewölbe herausführte. „Kommt mit“, rief er, „ich will euch etwas zeigen!“ Den armen Pingo schleifte er an den Füßen hinter sich her, aber die übrigen Freunde störten sich nicht daran.

In der Grotte, in die das Känguru sie nun führte, waren die Wände wiederbutterfarben und weich, als befänden sie sich in einem Pfannkuchenhaus. Überall standen Blechtonnen herum, es waren dieselben, die die Freunde auch schon hinter Paul Andersens Haus gesehen hatten. Neben ihnen stapelten sich Holzkisten zu einer Pyramide. Petzi und Pelle sahen sich neugierig um. „Was hat es mit diesen Fässern auf sich, Hollahopp?“, fragte Petzi, „und was ist in den Kisten drin?“ Das Känguru zuckte mit den Schultern. „Ach, ich sammle seit Jahren dies und das“, sagte es. „Schaut euch gerne um und sucht aus, was ihr brauchen könnt.“ Das ließen Petzi und Pelle sich nicht zweimal sagen: Sie kletterten auf den Berg aus Kisten und öffneten aufs Geratewohl eine nach der anderen. Petzi entdeckte verrostete Autoteile und einen Klingelwecker, Pelle eine Trompete. In den meisten anderen aber fanden sie nur verstaubte Kleidung. „Guck mal Petzi“, rief Pelle, der in einer weiteren Kiste gewühlt hatte und nun mit einem Buch wedelte. „Das ist doch das Kochbuch von Lämmchen! Und hier, da ist seine hellblaue Schürze und die rote Mütze von Paul Andersen!“ „Oh“, antwortete Petzi verwundert, als würde er sich an etwas erinnern, das vor langer Zeit passiert war. Sie drehten sich zu Hollahopp um, der Pingo gerade kopfüber in eine Blechtonne steckte und sorgfältig den Deckel verschloss. „Kommt jetzt endlich“, rief das Känguru ungeduldig. Die Freunde kletterten eilig von den Kisten herunter und stiegen in die Blechtonnen hinein, die Hollahopp ihnen hingestellt hatte. Warum sie das taten, wussten sie nicht so recht, aber das Känguru half ihnen tatkräftig. „Das macht Spaß, oder?“, gluckste es, und Petzi und Pelle nickten eifrig. „Und jetzt“, fügte es aufgeregt hinzu, „Köpfe einziehen!“ Dann verabschiedete es die Freunde ins Dunkel, von wo aus sie es noch lange kichern hören konnten.

Als Petzi wieder aus der Blechtonne herauskletterte, fühlte er sich merkwürdig und wacklig auf den Beinen, als wäre er noch gar nicht richtig wach oder sei verzaubert worden. Er wusste nicht, wie viele Stunden vergangen waren, seit sie die Zauberhöhle betreten hatten. Lange Zeit irrte er durch die buttergelben Gänge, bis er wieder auf das Känguru traf, das gerade den Boden feucht schrubbte. „Ah, da bist du ja endlich, Petzilein!“, rief es erfreut. „Schnell schnell, du musst jetzt fort!“. Hollahopp nahm Petzi bei der Hand und führte ihn nach nebenan in einen sehr hohen Raum, aus dem von oben her die Morgensonne zwinkerte. Er stellte Petzi an das untere Ende eines großen Bretts, das über einem Baumstamm aufgebockt war. „Das ist der beste Aufzug der Welt“, sagte Hollahopp. „Deine Freunde haben ihn schon benutzt.“ „Wiedersehen, Hollahopp“, sagte Petzi leise, „und vielen Dank für alles.“ „Gern geschehen“, antwortete das Känguru und verzog sein breites Maul zu einem Grinsen. Dann hüpfte es auf das obere Ende des Bretts und Petzi sauste wie eine Rakete nach oben in den Himmel.

Er landete unsanft am Fuß des Berges. Von dem Sturz tat ihm alles weh, sodass er sich erst einmal setzen musste. Aus der Nähe konnte er zum Glück schon das Rauschen des Flusses hören. Nachdem er sich einen Moment ausgeruht hatte, bahnte er sich einen Weg durch die Büsche am Ufer und war froh, als er endlich das Schiff sah, das am Fuß der Treppe ankerte, wo die Freunde es zurückgelassen hatten. Petzi wusste noch immer nicht so recht, wie viel Zeit verstrichen war, seit sie vor Anker gegangen waren: Er fühlte sich etwas dusselig, als würde er noch träumen oder hätte zu viel süße Limonade getrunken. Er schwankte ein wenig, als er an Bord kletterte. Pingo und Pelle standen an der Reling und grüßten: Ein wenig sahen auch sie aus, als würden sie noch immer schlafen. Vom Ufer her winkte ihnen Kaspar, das Schweinchen, fröhlich zu.