Fellfreunde - Totaler Konsumismus auf vier Pfoten Von Fabian Olbrich

Fellfreunde – Totaler Konsumismus auf vier Pfoten

Kinder sehen unheimlich gern diese eine Zeichentrickserie mit paar Hunden, die ausgestattet mit technischen Prothesen allerhand Abenteuer erleben. Sprechen können sie auch. Aus Gründen von keiner Lust, nenne ich den Namen der Sendung nicht, obgleich Betroffene gleich Eltern wissen, wovon ich spreche. Aber was soll die Aufregung?

Serien mit Haustieren, insbesondere Hunden quälen die Geschmäcker von Tierwohlinteressierten schon lange. Spätestens seit der Zeit des westlichen Wirtschaftswunders der 1950er-Jahre. Sozialgerechte Politik, wirtschaftlicher Aufschwung und Arbeitssicherheit sorgten für einen allgemeinen Besitzwohlstand. Dabei lässt sich das Phänomen beobachten, dass die massentauglich gewordene Fernsehtechnologie dieser Zeit Dinge lebendig und sympathisch erscheinen lässt: die Küchenmaschine, der Staubsauger, die Tütensuppe. Eine der Folgen: Haustiere werden mangels menschlicher Nähe zu Freunden, der Hund wird gar zum besten Freund des Menschen erkoren.

Man brauchte wohl ein kuscheliges Substitut, um der Kälte der Dinge entgegenzuwirken, die diese trotz Werbeversprechen weiterhin ausstrahlten. Vielleicht beobachtete aber auch ein Fernsehproduzent die Freude der Kinder beim Spielen mit Tieren und erkannte deren Vermarktungspotenzial (der Tiere wie der Kinder). Es ist einerlei. Ob Delfin, Hund oder Eichhörnchen, die Viecher grinsen wie früher der etwas dümmlich dreinschauende Teddybär, der Rest ergibt sich von selbst.

Bekannt ist: geistiges Eigentum von Tieren existiert nicht. Noch nicht. Und schon bald sorgten die in der Nahrungskette weit unter dem Menschen stehenden Vertreterinnen und Vertreter der Tierwelt zuverlässig für Spaß und gute Laune vorm heimischen Fernsehgerät.

Technikprothesen für die Kleinen

Wie die Zeiten ändern sich die Bedeutungen. Die Fellfreunde aus der Lieblingszeichentrickserie meiner Kinder haben je verschiedene Eigenschaften. Die eine ist mutig, der andere vorsichtig umsichtig, ein weiterer Logistikprofi und so fort. Da die Fellfreunde, warum auch immer, mit technischen Prothese ausgestattet sind, können sie Aufgaben wie Menschen übernehmen. Sie haben Greifarme, fliegen durch die Luft, tauchen unter Wasser. Die knuffigen Hunde bedienen zudem Fahrzeuge, die ihre Reichweite verstärken. Diese funktionieren wie Schweizer Taschenmesser, irgendwo lässt sich immer die richtige Funktion für eine Anwendung ausklappen. In kurzen, immer wieder kehrenden, rasch geschnittenen Montagen unterlegt mit pulssteigernder elektronischer Musik sehen wir die Fellfreunde ihre Fahrzeuge besteigen.

Ihr Verbündeter ist ein extrem ausgeglichener Kindmensch, dem die gute Laune aus der Comicvisage scheint. Gegenspieler ist ein untersetzter glatzköpfiger Mann mit Bauchansatz „im besten Alter“ und einem Machtberuf. Der Dicke ist der Bürgermeister des Kaffs, in dem die Fellfreunde-Serie spielt (so wie jede Kindertrickserie irgendwo im ländlichen Nirgendwo spielt, wo die Welt noch „in Ordnung ist“ – ohne Homosexualität, Armut, Behinderte, Taliban und so was). Der dicke Glatzkopf, dazu muss man nicht Karl Marx gelesen haben, ist ein ganz gemeiner Vertreter des Kapitals. Im Grunde versucht er nichts anderes, als sich an seinen Mitbürgerinnen und -bürgern zu bereichern. Dazu nutzt er jede noch so kleine Gelegenheit als der Beste und erfolgreichste dazustehen. Auch wenn es beispielsweise gilt, an einem Kochwettbewerb teilzunehmen und anderen in die Suppe zu spucken.

Kein Bösewicht von Format kommt ohne Handlanger aus. Und so stehen dem Dicken im Anzug und Zylinder ein paar hochgerüstete Kätzchen zur Seite, die im Gegensatz zu den Fellfreunden nicht sprechen können, sondern nur herzerwärmend oder sinister miauzen, je nach Laune. Man ahnt, es handelt sich um verschlagene Biester, die ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten (Katzesein) und technischen Hilfsmittel, dazu einsetzen, um es den guten und ehrlichen Hunden mal wieder zu zeigen. Keiner Katze ist zu trauen, erst recht nicht den niedlichsten unter ihnen (alte Haustierweisheit)!

Verheißungen der Konsumindustrie: Frieden durch Technik

Warum will ich das Endgerät, auf dem die Fellfreunde-Serie läuft, denn nun aus dem Fenster werfen, dass den Plastikmenschen im Café unter meinem Wohnzimmer die Edelkaffeetassen um die Ohren fliegen, auf dem meine Kinder diese doch nach fabelhaftem Unterhaltungsspaß klingende Zeichentrickserie anschauen und mit Begeisterung deren Abenteuer nachspielen sowie seit Monaten nur mit den ultragriffigen Namen der Fellfreunde angeredet werden wollen? Liegt es daran, dass die Fellfreunde keine Abenteuer bestehen, in die sie hineinstolpern und sich spontan ereignen, sondern diese immer wieder künstlich an sie herangetragen werden? Oder liegt es an der ostentativen Demonstration von Fröhlichkeit, wenn Mensch und Tier in der scheinbaren Idylle aus Natur und Technik nicht nur in friedlichem Einklang leben, sondern auch dauergutgelaunt zusammenarbeiten. Man muss nicht generell die Sinnhaftigkeit der Fiktion infrage stellen, aber warum diese technisch hochgerüstete Fröhlichkeit im Unterhaltungsprogramm für Kinder?

Rätseln ließe sich noch weiter, dabei gibt es im Grunde nichts zu rätseln. Die Fellfreunde sind Agenten der Konsumindustrie. Sie und ihr menschlicher Freund mit dem Permanentgrinsen gehen derart lustvoll und natürlich mir ihren Apparaten um, als wären sie geistig mir ihnen verbunden. Darin liegt keine Magie, keine Faszination, die über das Technische hinausführt. Es ist reine Berechnung. Wenn die Fellfreunde ihre Apparate ansprechen als wären sie lebendig, wird eine besonders innige Beziehung zwischen Tier und Maschine scheinbar deutlich.

Der Mensch als Souverän beherrscht sie alle, die Tiere und die Maschinen, die erste und die zweite Natur. Es handelt sich offenkundig um Werbung für die Errungenschaften der Konsumindustrie, die sich als Technikfrieden tarnt. Aber sehen die Kinder, was ich sehe? Ist ihnen ebenfalls unwohl bei der Betrachtung einer fiktiven Umwelt, in der es keine weiteren Konflikte gibt, als Steine von Wiesen zu räumen oder das beste Chili zu kochen? Um was zu erreichen? Genau. Maximalen Spaß. Man sieht den glücklichen Wesen bei der Arbeit zu und sie lachen andauernd, wirklich andauernd.

Lust auf Baumaschinen

Nun sind Kinder, warum auch immer, von Baumaschinen meist begeistert. Es ist wohl nicht die Bewegung selbst, die diese ausführen und die sie fasziniert, sondern, so die Vermutung, die lustvolle Beobachtung im Umgang mit der Natur in einem aus ihrer Perspektive Riesenmaßstab. Wo das Kind im Sand ein Löchlein schaufelt, hebt der Bagger Tonnen von Material auf der Baustelle aus. Dieses Hineingraben und Auseinandernehmen, Wegschaffen und Abladen erscheint lustvoll. So wie Kinder es lieben, mit Matsch zu spielen. Die Fellfreunde und ihre prothetischen Apparate vermitteln diese Lust nicht, andernfalls könnte man Kindern auch Videos von Baustellen zeigen. Es ist dieser Akt der Verschmelzung von Belebtem und Unbelebtem, was einen unvorstellbaren Reiz auszumachen scheint.

Der Traum, das Ding durch Ansprache oder gar Gedankenkraft zu steuern und damit zu verlebendigen, wird hier als Realität (von morgen) dargestellt. Und dann sind es auch noch niedliche Hundchen, die das tun, mit Riesenaugen und Schlabberzunge, Schlappöhrchen und lustigen Namen. Kicher, wuff. Die Hightech-Apparate als Friedenstechnik – niemand wird durch ihre Bedienung verletzt, es läuft „perfekt“.

Stille Hoffnung: Spielen ohne Endgeräte

Die Begeisterung der Kinder für die Zeichentrickserie und die Fellfreunde macht traurig. Es ist, als gäbe es da etwas, das stärker wirkt als jedes Spiel, als jede Aktivität. Die ultimative Sedierung. Die Kinder sähen die Serie am liebsten täglich, stundenlang. Wenn ihnen niemand ein Limit setzte, sie schauten in die Endgeräte, bis ihnen die Augen aus den Höhlen fielen oder das Gehirn zu Rosinengröße schrumpelte. Oder sie zu den Konsumzombies geworden sind, in die sie von der Konsumindustrie verwandelt werden sollen.

Ist das mein Beitrag, die Kinder zu den Konsumzombies von morgen mitzuformen, wenn ich sie diese verstandbeleidigende Dauerwerbesendung für das digitale Zeitalter und die durchtechnisierte Gesellschaft ansehen lasse? Ich weiß es nicht. Aber hoch lebe der technische Fortschritt, der sich an die Kinder ranschmeißt wie die Techfirmen an ihre endgeräteabhängigen Endkunden, indem sie stetig aufs Neue künstliche Bedarfe erfinden.

Doch sobald sich die Kinder außerhalb der Reichweite des Bildschirms bewegen, aus der passiven, verdummenden Konsumhaltung in die spielerische, gestaltende Aktivität wechseln – dazu sind nicht nur Kinder fähig –, weiß ich, es ist noch nicht zu spät.