In der schönen neuen Arbeitswelt gibt es viele Jobs, aber wenige Berufe. Da ploppen wie aus dem Nichts Jobs auf, die nur so lange von Menschen zu himmelschreienden Konditionen ausgeführt werden (sollen/dürfen/müssen), bis die KI endlich übernimmt. Das Entwicklerteam ist dran, keine Bange. Bis die Maschine so weit ist, muss der Mensch noch ran. In meinem Fall ist das die Arbeit des Lektors/Korrektors. Mit den Jahren habe ich für gute und weniger gute Auftraggeber gearbeitet. Tendenziell wird die Arbeit umso schlechter bezahlt, je größer das Unternehmen und internetbasierter es ist. Die meisten Auftraggeber habe ich in der echten Welt nie getroffen, nur virtuell, per E-Mail oder Telefon. Am liebsten geben sie Arbeitsanweisung in Form einer Anleitung, der man zu folgen hat. Mitunter werden diese Anweisungen wie gottgebende Gesetze aufgefasst. Bei den prekäreren Jobs geht es in erster Linie darum, Orthografie, Grammatik, Ausdruck von Texten meist geringeren Umfangs zu korrigieren. Obwohl schon der Ausdruck nebensächlich ist. Aber sobald die Rechtschreibung oder die Grammatik nicht „perfekt“ sind (ein gern genutzter Ausdruck in der Welt der Arbeitnehmenden), rasten die Leserinnen und Leser, also potenzielle Kundinnen und Kunden regelrecht aus. Das backfired logisch auf die Qualität des angebotenen Inhalts. Und irgendeine zur Verantwortung herangezogene Kleinperson darf sich irgendeinen Sermon anhören. Mitunter in einer Art, als hätte man das Triebwerk am Spaceshuttle falsch herum eingebaut. Textarbeit ist keine Rocket Science. Aber wir wissen alle, auf welche Einstellung es zu den Dingen ankommt – richtig, alles muss „perfekt“ sein, auch wenn man nicht bereit ist, dafür angemessen zu bezahlen. Aber, was heißt das schon.
Ich könnte noch weiter abkotzen an dieser Stelle, aber wozu? In der verfickt schönen neuen Arbeitswelt der durchglobalisierten Gesellschaft geht es nicht anders zu als in den vorherigen Arbeitswelten, denn Drecksarbeit fällt immer an. Aber, wer sich bei einem dieser wunderbaren Jobportale angemeldet hat und regelmäßig Jobangebote erhält, kennt das: es gibt haufenweise Jobs im sogenannten Servicebereich. Manche verstehen unter Service noch, zum Beispiel eine Buchempfehlung in einem Buchladen zu geben, also ein Gespräch zu führen. Der Servicebegriff der heutigen Dienstleistungsbranche aber, die mit ihrer pastellbunten und zwangsjugendlichen Werbepropaganda diejenigen anspricht, die sich über einen Stundenansatz zu freuen haben, der im Schnitt einem Zehntel von verträglich vergüteter Arbeit in der richtigen Arbeitswelt entspricht, rückt mehr und mehr in Richtung Sklavenarbeit.
Und weil es so schön wirkungslos ist gegen „die da oben“ zu labern, veröffentliche ich hier einen Auszug aus einem Schreiben, das unangesehen an alle „Lektoren“ ging, die für diese Firma oder Start-up oder Schieß-mich-tot arbeiten beziehungsweise arbeiteten. Einfach, weil ich die stille Poesie mag, die aus den Zeilen spricht. Ich dachte gleich, so redet man mit Maschinen, aber leider, leider, leider machen immer noch diese sogenannten Menschen die Arbeit.
[E]inige Texter*innen haben mich auf Unstimmigkeiten [Texte] aufmerksam gemacht, die vom Lektorat in Workover gegeben wurden. Es kam auch vor, dass Texter*innen die entsprechenden Korrekturen umgesetzt haben und die gleichen [Texte] dann von einem anderen Lektor erneut in Workover gegeben wurde, mit einem gegenteiligen Verbesserungsvorschlag.
Es ist enorm wichtig, dass wir beim Lektorat eine einheitliche Linie verfolgen, sonst weiß von den Texter*innen keiner mehr, was denn nun richtig und falsch ist.
Um so etwas in Zukunft zu vermeiden, möchte ich euch an dieser Stelle deshalb auf häufig genannte Unstimmigkeiten hinweisen und ein paar Hinweise zum Lektorat und unseren Vorgaben geben:
1. Es gilt die neue Rechtschreibung
Beispiel: Laut der neuesten Rechtschreibreform ist wie viel richtig. Man schreibt es also getrennt. Die Schreibweise wieviel ist veraltet. Ich möchte von den Texter*innen nicht mehr hören, dass jemand dazu aufgefordert wurde, “wie viel” zusammenzuschreiben.
Tipp: Im Zweifelsfall ist es immer hilfreich, auf entsprechende Nachschlagewerke oder die Online-Rechtschreibprüfung von Duden zurückzugreifen.
2. Anzahl der Wörter
Die FAQs sollen mindestens 25 Wörter lang sein. Damit sind Frage und Antwort gemeint. Zum Prüfen der Wortanzahl könnt ihr gerne dieses Tool verwenden.
3. Produktname
Bei einem optimalen FAQ wird der vollständige Produktname einmal in Frage oder Antwort erwähnt. Der Name muss nicht in Frage und Antwort vorkommen.
Den Namen entnimmst du von der Produktseite auf Amazon.de, doch wenn dieser sehr lang und komplex ist, dürfen die Texter*innen diesen gerne abkürzen und variieren. Gerne kann auch in Frage und Antwort zwischen beiden Methoden variiert werden, das ist kein Fehler.
Bitte seid hier auch kulant und gebt einzelne [Texte] nicht bloß wegen eines fehlenden Bindestrichs in Workover. Auch in Sachen Groß- und Kleinschreibung des Herstellers ist ein Entgegenkommen die bessere Alternative, etwa bei nachweislich klein geschriebenen Eigennamen wie z. B. “reisenthel”.
4. Stilfragen und Formulierungen
[Texte], die ansonsten keine Fehler enthalten, bitte nicht bloß in Workover geben, nur weil ihr eine andere Formulierung “schöner” oder “gelungener” findet.
Beispiel: Aus dem Vergleich / Aus unserem Vergleich => beide Varianten dürfen verwendet werden.
Behaltet dabei bitte im Hinterkopf, dass die Texter*innen pro [Text] bezahlt werden und sich die Arbeit für viele nicht lohnt, wenn der zeitliche Aufwand zunimmt, weil fast jede[r] [Text] zurückkommt. Solange [der Text] verständlich und ansonsten fehlerfrei ist, soll sie auch validiert werden.
5. Keywords
Wie ihr aus der Anleitung wisst, sollen in den [Texten] – wenn möglich, nicht zwingend – Keywords vorkommen (Vergleich, kaufen, Erfahrungen). Das heißt aber nicht, dass in jede[m] Text ein Keyword vorkommen muss.
Zudem ist es deshalb auch erlaubt, in den [Texten] auf Erfahrungen von Nutzern einzugehen, da “Erfahrungen” zum einen eines der Keywords ist, und zum anderen die Amazonseite zuweilen nicht mehr Infos hergibt.
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Bitte bestätigt mir den Erhalt dieser Infos (ein kurzes “ok, gelesen” reicht aus, falls ihr keine weiteren Fragen dazu habt) und scheut euch nicht, mich bei formalen oder inhaltlichen Unklarheiten auch in Einzelfällen zu fragen.
Ich weiß, dass aller Anfang schwer ist, aber ich bin mir sicher, dass es uns gelingen wird, im Lektorat an einem Strang zu ziehen, wenn alle die genannten Hinweise beachten und umsetzen.
Zitat Ende. Hervorhebungen im Original, Text in Klammern wurde ersetzt.
*The Job that Ate my Brain, Ramones, Mondo Bizarro (1992), Chrysalis (emi)